Liegt das aber nicht eher an den Berufen und nicht daran das hier Frauen Arbeiten?
Hier denke ich, dass das nicht so ganz stimmt - oder zumindest die Kausalität zum Teil umgekehrt ist. Ich hatte bereits wissenschaftliche Studien gesehen, die gezeigt haben, dass wenn der Frauenanteil in einem Beruf steigt, sinkt einige Jahre zeitversetzt der relative Durchschnittslohn. Und beim Männeranteil ist es umgekehrt.
Eine Männliche Pflegekraft bekommt ja auch nicht mehr Geld als eine Weibliche. Sollte zumindest mal nicht, wenn doch wäre das natürlich maximal Scheiße.
Das ist aber statistisch gesehen öfters der Fall.
Ich als “Mann” (30 jahre alt) habe als Kind noch gesagt bekommen “Schaff was damit du deine Familie Ernähren kannst, IT ist gut bezahlt - schau dir das mal an”. Jetzt arbeite ich in der IT, gut bezahlt.
Genau das ist ja das Problem. Du wurdest dazu motiviert eine gutbezahlte IT-Karriere zu verfolgen. Mädchen wird immer noch gesagt, dass sie kein Mathe, Naturwissenschaften etc. könnten.
Selbst wenn man sich als Frau für MINT-Fächer entscheidet, wird man benachteiligt. Ich arbeite z.B. ebenfalls in der IT und mir ist es schon mehrfach passiert, dass sich bei Frage zu der von mir programmierten Software an meinen männlichen Kollegen statt an mich gewendet wurde. Natürlich kennen die sich nur oberflächlich damit aus, aber der typische Endbenutzer weiß sowas nicht. Und wer bekommt dann das Lob bei meinem Chef? Also ich sicher nicht, weil mir traut ja niemand wirklich viel Kompetenz zu.
Parallel wurde den gleichaltrigen Mädels gesagt “Macht das was ihr wollt, das ist schon ok so, ihr dürft das alles!”
Das stimmt so nicht ganz. Frauen wird schon, gesagt, wie sie zu tun haben und zwar, dass sie diejenigen sind, die sich um den Haushalt, die Pflege bzw. Erziehung der Kinder kümmern müssen. Es wird doch schon mit dem Kinderspielzeug klar gemacht, dass soziale Arbeit die Aufgabe der Frauen ist. Und die Karriere muss im Zweifelsfall vernachlässigt werden, sonst ist man eine schlechte Mutter bzw. Tochter.
Jetzt mit Sexismus anzufangen um Sexismus zu bekämpfen kann nicht die Lösung sein.
Nur weil wir mittlerweile annährend Gleichberechtigung haben, kann nicht einfach so tun als wären die letzten paar tausend Jahre der Unterdrückung von Frauen durch Männer nicht passiert. Die Gesellschaft ändert sich nicht von heute auf morgen und sexistische Vorurteile sind immer noch tief verankert.
Über die einzelnen Maßnahmen kann man natürlich streiten - Ich z.B. halte eine Frauenquote bei der Einstellung eher für den falschen Ansatzpunkt. Aber dass man positive Diskriminierung grundsätzlich verteufelt halte ich auch für falsch.
Erstmal muss ich natürlich sagen, dass ich toll finde, dass man hier sachlich über ein so polarisierendes Thema reden kann.
Trotz deiner Anmerkung zu Beginn argumentierst du hier im Grunde für eine positive Diskriminierung. Nur, dass du sie in der Schule statt später im Arbeitsmarkt für sinnvoll hälst und da muss ich sagen bin da ganz bei dir - es bringt einfach wenig auf den letzten Stufen der Karriereleiter Frauen zu bevorzugen, wenn das Problem schon viel früher beginnt.
Das Angebot für Mädchen von dem du vermutlich redest ist der Girls Day. Das Problem ist, dass ein paar wenige Aktionstage in der Gesamten Schullaufbahn schlecht gegen die allgegenwärtige Sozialisierung mit traditionellen Geschlechterrollen ankommt. Hier müsste einfach mehr passieren bzw. anders vorgegangen werden.
Es gibt mittlerweile übrigens auch den Boys Day, der speziell soziale Beruf Jungs näherbringen soll. Gleichberechtigung sollte hier natürlich keine Einbahnstraße sein.
Im Einzelfall ist sowas natürlich blöd - Statistisch gesehen ist es aber oft umgekehrt, dass Frauen bei gleicher Qualifikation schlechter beurteilt werden. Dazu gibt es einige Studien z.B. https://www.wzb.eu/de/pressemitteilung/frauen-werden-bei-der-ausbildungssuche-diskriminiert
Meine Kollegen, mit denen ich tagtäglich zu tun hab schätzen mich und erkennen auch Können bzw. meine Leistung an. Nur bei Leuten, die mich nicht kennen wird manchmal - überspitzt gesagt - so getan, als hätte ich meinen Master im Lotto gewonnen.
Bei dem kompletten letzten Absatz stimm ich dir absolut zu. Natürlich haben wir eine Menge erreicht. Vor 60 Jahren wäre unvorstellbar gewesen, dass ich überhaupt so einer Arbeit nachgehe. Ich habe nur die Sorge, dass es wegen dem Rechtsruck in der Gesellschaft die nächsten Jahre eher wieder zurück zur traditionellen Rollenverteilung geht.