this post was submitted on 21 Nov 2023
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Deutschland hat die mit Abstand niedrigste Schuldenquote unter den großen Industrienationen: Die Regierung arbeitet sich an einem Thema ab, das eigentlich keines ist.

Deutschland ist im internationalen Vergleich nicht überall vorne. Bei der Bildung nicht, bei der Qualität der öffentlichen Infrastruktur nicht. Beim Fußball sowieso nicht. Nur bei den Schulden, da macht uns niemand etwas vor. Wir haben nämlich in Wahrheit nicht so viele davon. Jedenfalls im Vergleich mit anderen Ländern.

[...]

Hier ein paar Zahlen: Die deutsche Staatsschuldenquote betrug im vergangenen Jahr 66,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, die britische 102,6 Prozent, die französische 111,1 Prozent, die amerikanische 121,7 Prozent, die japanische 261,3 Prozent. Deutschland hat unter den in der Gruppe der G7 zusammengeschlossenen führenden westlichen Industrienation die niedrigste Schuldenquote. Sie haben richtig gelesen: die niedrigste. Nicht die höchste. Und die weiteren Aussichten sind ebenfalls nicht sonderlich beunruhigend: Bis zum Jahr 2028 wird diese Quote nach Vorhersagen des Internationalen Währungsfonds auf 57,5 Prozent sinken. Sie fiele damit unter den Richtwert von 60 Prozent, der im Vertrag von Maastricht – dem Gründungsdokument der Währungsunion – festgelegt ist.

Jetzt kann man lange darüber streiten, ob es nicht besser wäre, wenn die Schulden noch niedriger wären. Vielleicht, das ist ein bisschen Ansichtssache. Andererseits wäre die Bahn vielleicht heute pünktlicher, wenn in den vergangenen Jahren nicht ständig gespart worden wäre. Und vielleicht wären dann auch die Schulen in einem besseren Zustand. Aber wofür der Staat das Geld ausgibt, ist das Ergebnis einer politischen Prioritätensetzung. Und in einer Demokratie werden Politiker gewählt. Insofern hat jedes Land vielleicht die Infrastruktur, die es verdient.

[...]

Deutschland hat ein Schuldenbremsenproblem

Aus einer rein ökonomischen Perspektive allerdings hat Deutschland vielleicht ein Schuldenbremsenproblem, aber kein Schuldenproblem. Wenn Christian Lindner jetzt eine Haushaltssperre verkündet, dann hat das wenig damit zu tun, dass der Staat nicht mehr über genug Geld verfügt. Lindner könnte sich jederzeit problemlos einen zweistelligen Milliardenbetrag borgen. Die Schuldenquote würde sich dadurch vielleicht im Nachkommabereich verändern. Wir wären aber immer noch Sparweltmeister. Mit großem Abstand.

[...]

Die traurige Wahrheit ist: Die Regierung droht sich gerade, an einem Problem zu zerlegen, das es eigentlich nicht gibt. Dieses Schauspiel muss schnell beendet werden. Es gibt genug Probleme, die es gibt.

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[–] Ooops@kbin.social 15 points 1 year ago* (last edited 1 year ago) (1 children)

Einfache Analogie:

Du kannst dir jetzt Geld leihen, um dir ein Auto kaufen. Damit kannst du deinen Job, direkt in deiner Nähe kündigen und stattdessen einen annehmen, der weiter entfernt ist. Da bekommst du aber ein paar hundert Euro mehr im Monat. Bis zum Rest deines Arbeitslebens. Sind das jetzt Schulden oder eine Investition von der du langfristig profitierst?

Und jetzt stell dir vor du bist ein Staat. Es gibt keine begrenzte Zeit bis zum Rentenalter, in der du profitierst.

Und es wird noch besser: Die Zinsen sind viel niedriger, denn jemand, der dir persönlich Geld leiht berechnet das Risiko mit ein, dass du stirbst bevor du das Geld zurück zahlen kannst. Staaten sterben nicht an Altersschwäche.

Es ist also mitnichten so wie du schreibst:

Vorteile einer Schuldenaufnahme:

  • Kurzfristig (!) mehr Geld zur Verfügung

Nachteile einer Schuldenaufnahme:

  • Spätere Generationen müssen sie zurückzahlen
  • Zusätzliche Zinslast.

Dir steht nicht kurzfristig mehr Geld zur Verfügung, sondern du kannst jetzt mit Geld langfristig in Verbesserung der Infrastruktur investieren.

Und du hast auch keine späteren Generationen, die arm werden, weil sie Schulden zurückzahlen müssen. Du hast spätere Generationen die jedes Jahr und immer wieder höhere Einnahmen haben, weil sie in einem Land mit guter Infrastruktur erfolgreichen und produktiever wirtschaften können. Und nur ein Teil dieser Mehreinnahmen fließt zur Tilgung der Schulden ab. Der Rest macht sie reicher.

Klar, man kann nicht unbegrenzt immer wieter Schulden aufnehmen, ohne sie zurückzuzahlen. aber das tut ja auch niemand. Deutschland hat gespart als die Zeiten gut waren und die Schuldenquote reduziert. Jetzt sind die Zeiten nicht gut, also muss man investieren, um die Situation zu verbessern.

Oder, zurück zur ursprünglichen Analogie:

Dein lokaler Arbeitgeber macht demnächst zu. Investierst du Geld (auch wenn du es dir leihen must) in ein Fahrzeug, um weiter entfernt einen neuen Job anzunehmen, oder setzt du dich zu Hause hin und wartest ob ein neuer Job vom Himmel fällt, um ja keine Schulden zu machen während du in Wirklichkeit die ganze Zeit durch Ausgaben aber kein Gehalt ärmer wirst?