this post was submitted on 27 Aug 2023
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Ja, das ist eine sehr interessante Frage. Man müsste da nun sicher unendlich viel Komplexität reinbringen, um die Wahrheit abzubilden. Komplexität, die mein historisches Verständnis dabei weit übersteigt. Aber ich kann es mit anekdotischem Wissen und eigener Meinung versuchen (daher bitte folgende Zeilen mit Vorsicht genießen).
Ich denke, das ist eine Mischung aus Nachkriegstrauma und stoischer Selbstgefälligkeit, die in den Generationen der Boomer verankert sind. Das Motto "Wir haben das schon immer so gemacht" hatte von den 50ern bis in die 90er Hochkonjunktur und ist auch heute noch schwer angesagt. Nur wurde Deutschland in quasi allen Gebieten derweil und deshalb der Rang abgelaufen und anstatt den angesammelten Wohlstand nun in die Zukunft zu investieren, glaubt man hierzulande noch an das Märchen von Geld unterm Kopfkissen und harter Arbeit, durch die Häuschen und Familie schon irgendwie finanziert wird.
Leider stimmt das schon lange nicht mehr, siehe Armut, Immobilienpreise, Steuerlast und so weiter. Diese Rechnung ging de facto niemals für die nächsten Generationen auf, überhaupt ist das ganze System gar nicht auf Progression ausgelegt, sondern auf absoluten Stillstand, der in den letzten drei Dekaden überwiegend von der CxU gut kultiviert wurde.
Und das funktioniert so gut, weil die Gesellschaft in Deutschland beim Blick in die Zukunft gern in Schockstarre und Pessimismus verfällt (nicht zuletzt dank Adolf und seinen Schergen). Das ist meiner Meinung nach der Grund, warum solch finstere Endgame-Parteien wie CDU und AfD überhaupt so gut ankommen und warum die anderen versagen. Es braucht nicht den von oben herab versprochenen Fortschritt, sondern auch den gesellschaftlich gelebten. Wie und ob das klappt, werden wir wohl erst erleben, wenn die Boomer aufhören, den Takt anzugeben, so bitter das auch klingen mag.
Mal sehen, wir, die Fortschritte und gesellschaftliche Entwicklung wollen, sind ja nicht gerade wenige, also wird auch wieder eine Zeit kommen, in der krisengebeutelter Konservatismus nicht mehr so hoch im Kurs steht als jetzt. Und bis dahin müssen wir in einer Demokratie leider sowas wie Merz, Höcke, Söder, Aiwanger und wie die alle heißen, aushalten.
Interessanter Beitrag, der mir ein paar neue Denkanstöße gibt. Nur bitter, dass genau diese Zeit des Aushaltens mit der Zeit des dringenden Handlungsbedarfs bei der Klimakrise und der finanziellen Ungleichheit zusammen trifft.
Auch beobachte ich ähnliche Züge (wenn auch nochmal krasser) in anderen Ländern wie der USA, Brasilien, England etc. Es scheint wirklich ein inhärentes Bedürfnis nach Autoritarismus zu geben, welches mir schwer fällt zu verstehen.